Sargassomeer

Sargassomeer von Jean Rhys
Sargassomeer von Jean Rhys

Ich habe mich entschieden „Sargassomeer“ zu lesen, weil ich im Moment sowieso Literatur aus der Karibik lese und der Klappentext auch noch interessant klingt:

Ein Buch über Liebe und Sehnsucht, Einsamkeit und Leidenschaft – der letzte Roman der großen englischsprachigen Schriftstellerin Jean Rhys erzählt die Geschichte einer reichen jungen Kreolin aus der Karibik.

Antoinette Cosway wächst als Halbwaise auf in einem Herrenhaus auf Jamaika, in einer verwilderten und verwunschenen Umgebung, die sie liebt und zugleich fürchtet. Vernachlässigt von ihrer schönen jungen Mutter, wird sie von einer schwarzen Kinderfrau betreut, von der es heißt, sie sei eine Voodoo-Zauberin. Antoinette lebt in einer vieldeutigen Zwischenwelt: Da sind die schwarzen Dienstboten, ihre Lieder, ihre Geschichten von Zombies und ihre seltsamen Riten, und da sind die weißen Herren mit ihren nicht weniger merkwürdigen Ritualen, den Festen, den Ausritten, den Picknicks im Mondschein. Und über allem die betörende, bedrohliche tropische Natur. Die Cosways sind aus der Insel-Gesellschaft ausgestoßen, von den Schwarzen als ehemalige Sklavenhalter verhaßt, von den Weißen als Verarmte verachtet. Als der Haß der Schwarzen sich entlädt und das Haus in Flammen aufgeht, wird Antoinettes Mutter wahnsinnig. Antoinette wird mit einem jungen Engländer verheiratet, und in dieser Beziehung, die von Angst, bösen Erinnerungen und dem Wahnsinn der Mutter überschattet ist, erfüllt sich ihr Schicksal.

Der Klappentext ist (natürlich) mal wieder ziemlicher Mist. Davon abgesehen, daß man schon innerhalb der ersten 30 Seiten mitbekommt, wie „der Haß der Schwarzen sich entlädt“ und die Zeilen des Klappentextes fast schon ausführlicher sind, als all das was man von Antoinettes Kindheit im Buch mitbekommt, hat der Verlag irgendwie nicht so ganz mitbekommen, worum es in dem Buch wirklich geht. Antoinette Cosway wird nämlich durch die Hochzeit ihrer Mutter und dadurch, daß ihr eigener Ehemann sie mit einem anderen Vornamen ruft, zu Bertha Mason. DER Bertha Mason aus „Jane Eyre“. Und das Ende des Buchs deutet sogar das Ende von Bertha Mason in „Jane Eyre“ an, allerdings aus ihrer Sicht.

Jean Rhys, die selbst aus der Karibik kommt (aus Dominica um genau zu sein), selbst Kreolin ist, selbst fast Zeitgenossin von „Jane Eyre“ (Rhys ist 1895 geboren, „Jane Eyre“ ist 1947 erschienen), trifft genau den Tonfall, die Stimmung dieses Zeit. Der dampfende, berauschende Dschungel, die seltsam-drückende Atmosphäre der Karibik, der Haß der Schwarzen auf die weißen Herren, der sich in amüsierter Verachtung äußert … Das ganze hat etwas Unwirkliches und Entrücktes, das man vielleicht nur in den Tropen findet. Der Verfall Antoinettes ist dabei fast schon folgerichtig.

Rhys zeigt in ihrem Roman aber auch die Zwänge der weißen Gesellschaft in den Kolonialgebieten. Der Umbruch, den die Abschaffung der Sklaverei mit sich bringt, hat sie aus dem Lot geworfen. Zwanghaft versucht man sich an alten Bräuchen festzuhalten, und stellt dabei doch fest, daß man anders geworden ist als die anderen Engländer oder Franzosen. „Weiße Nigger“ werden sie spöttisch genannt.

Ein tolles Buch für alle Charlotte Brontë Fans. Aber lesen kann man es auch (und gut), wenn man „Jane Eyre“ ganz und gar nicht kennt.